Messungen von Kennlinien diverser Dioden bzw. pn-Übergängen

Die Aufgabe: Aus einer größeren Anzahl gesammelter Germanium-Dioden ist auszuprüfen, welche davon sich als Ersatz für Dioden des Typs OA 95 in einem Messgerät eignen. Das Verhalten bei niedrigen Strömen im Bereich 1 µA bis 50 µA war zu ermitteln.

Die Datenbücher für Dioden schweigen sich mit Details meistens aus: Es werden nur ein paar Stützdaten genannt, viel zu wenige, um eine Kompatibilität ermitteln zu können.

Das Aufnehmen von U/I-Daten mit der Hand ist zwar möglich, aber ziemlich zeitaufwändig und auch fehleranfällig. Deshalb sollte der Computer dazu benutzt werden. Eine schon länger vorhandene USB-Schnittstellenkarte K8055 von Velleman wurde als Schnittstelle zu etwas Elektronik benutzt. Die K8055 bietet neben Ein/Aus-Schaltern auch analoge Ein- und Ausgänge für den Bereich 0 V - 5 V. Diese können mit einer Auflösung von 255 Schritten angesteuert bzw. ausgelesen werden. Es liegt also nahe, eine spannungsgesteuerte Stromquelle zu benutzen und die über der Diode abfallende Spannung zu messen.

StrimquelleDieses wäre die einfachste Form: Ein spannungsgesteuerte Stromquelle(?) aus einem Operationsverstärker, einem Transistor und einem Widerstand. Wird am Eingang eine bestimmte Spannung (z. B. zwischen 0 V und 5 V) angelegt, so wird wegen der Bedingung U+ - U- = 0 der Ausgang des OPs und damit der Transistor so aufgesteuert, dass ein Strom fließt, der am Widerstand dieselbe Spannung abfallen lässt wie sie am Eingang anliegt. Damit kann man den Strom durch die Diode steuern.

Stromquelle? Im Englischen ist man etwas genauer und bezeichnet diese Schaltung als "Current Sink". Denn Sie nimmt eigentlich einen definierten Strom auf und gibt ihn nicht ab, wie es einer Quelle eigentümlich ist. Es gibt Leute, die übersetzen "Sink", was eigentlich für Abfluss oder Ausguss steht, mit Senke. Aber eine Senke ist in der Landschaft etwas tiefliegendes ohne Abfluss, in dem Wasser stehen bleibt und nicht abfließt. Also ist Stromsenke keine gute Übersetzung. Man kann sich nur damit helfen, dass diese Schaltung eine "negative" Quelle darstellt, bei der zu allem Überfluss das Vorzeichen des Stroms auch noch positiv ist, weil etwas in den Bilanzraum Quelle hineinfließt. Hmmmm?

Das Problem bei dieser Schaltung ist aber, dass die Eingangsspannung als positive Spannung gegenüber Masse angereicht wird und damit auch nur eine positive Spannung gegenüber Masse gemessen werden kann. Das wird durch die gemeinsame Masse erzwungen. Die Diode sitzt also am "falschen" Platz und entzieht sich einer direkten Messung der über der Diode abfallenden Spannung. Es muss also etwas aufwändiger werden.


Dieser jetzt schon dimensionierte Schaltungsentwurf war dann die erste Basis:

Durch R1 fließen maximal etwas über 1 mA, die in R2 den selben Spannungsabfall gegenüber Bezugsplus +12 V erzeugen.  Diese Spannung wird dann zur Steuerung der aus V2/T2/R3 bestehenden Konstantstromquelle (das ist jetzt wirklich eine "Current Source") benutzt. Da über einer Ge-Diode kleinere Spannungen stehen bleiben, wird die Spannung ca. 9-fach verstärkt und dann an einen analogen Eingang des K8055 zurückgegeben.

Verwunderlich war nur, dass bei einem Aufbau der Schaltung mit einem LM 324 bei 0 V am Eingang der Ausgang auf ca 2,5 V anstieg, obwohl über die Diode sicher kein Strom fließen sollte! Warum? Der Grund liegt in der Auslegung des Eingangs des LM 324: Ein pnp-Darlington Eingang lässt Strom aus dem Eingang herausfließen. Dieser sehr geringe Strom im nA-Bereich trifft auf eine sehr hochohmige Diode und flugs haben wir einen Spannungsabfall von einigen mV, der dann noch 9-fach verstärkt am Ausgang wieder ankommt.

Mit einem LM 324 alleine geht es also nicht!

Hier nun die endgültige Schaltung:

Am Eingang hat sich nichts verändert, bis auf den jetzt eingesetzten halben V1 LM 358. Für V2/V3 wurde ein extrem hochohmiger TS 912 IN  ausgewählt.
Denn nicht nur über der Diode soll kein Fremdstrom stören, auch an den stromsteuernden Widerständen R3 und R3a kann es zu Störungen kommen. Die Auswahl erfolgte nach der Verfügbarkeit eines hochohmigen OPVs mit Eingangsspannung bis 0 V bei meinem Händler.

Die Schalter S1 und S2 sind Reed-Relais, die über die digitalen Ausgänge der Karte gesteuert werden. S1 offen und die Eingangsspannung auf Stufe 1 steuert den Strom durch die Diode auf I = (5 V/ 255) / 820k) = 23.9 nA. Das ist das Inkrement im niedrigen Strombereich, der bei 255 * 23,9 nA = 6,1 µA ended. Schließen von S1 erhöht den Start und das Inkrement auf 4,2 µA und den Endstrom auf 1,07 mA.

S2 schaltet 120k parallel zu dem 82k Widerstand und reduziert die Verstärkung des Ausgangsverstärkers. Dieses ist bei Si-Dioden erforderlich, wenn die Ausgangsspannung 5 V überschreitet.

Die Auswahl der Transistoren ist eher zufällig. Theoretisch sollten die C-Typen mit der höchsten Stromverstärkung die Messungen am wenigsten verfälschen. Es sind alle Kleinleistungstransistoren geeignet.


Die praktischen Erfahrungen: Wie nicht anders zu erwarten, waren die Messwerte in den Extremen der Auflösung nicht stabil. Auf der K8055 wird das PWM-Signal des Mikroprozessors über einen sehr einfachen Integrator in ein analoges Ausgangssignal gewandelt. Dieses scheint bei sehr kleinen Impulszahlen (unter 5) zu streuen, und deshalb fehlt in den Auswertungen der Wert für 10 µA, der, S1 geschlossen, beim Zähler 2 oder 3 zu liegen kam. Ebenso erschien es ratsam, sich von 255 mit einem gewissen Abstand fern zu halten. In den Unterlagen zur Karte wird zwar spezifiziert, dass alle Befehle in maximal 20 ms abgearbeitet werden. Aber genau der schon genannte Integrator hat eine höhere Nachlaufzeit. Deshalb wurde nach jeder Veränderung der Ausgangsspannung eine Wartezeit von 200 ms eingelegt, bevor 5 Messungen der Spannung über der Diode erfolgten, die dann gemittelt wurden.

Die Ansteuerung der K8055 wurde über ein Delphi-Programm mittels der Freeware Lazarus vorgenommen. Mit diesem wurden die ermittelten Messwerte in Dateien geschrieben, die dann über OpenOffice ausgewertet wurden. Die Ergebnisse sind hier zu sehen.





Version: 1.2  Copyright: Rolf Süßbrich, Dortmund,  02.10.2011