Die original französische Zwiebelsuppe und das Welsh

Gegen Ende meiner Schulzeit Mitte der 1960er Jahre gehörte ich einer kleinen Clique an. Und es ergab sich, dass wir plötzlich im Abstand einiger Wochen, meist am Freitagnachmittag zu einer französischen Zwiebelsuppe bei einigen der Mütter eingeladen wurden, wo wir dann, manchmal mit einem halben Glas Weißwein, den Lauf der Welt bequatschten. Zu dieser Zeit beschimpfte Franz-Josef Degenhardt einige Zeitgenossen als die frankophilen Käselutscher. Wir merkten auch, dass die Suppen bei jeder Mutter etwas anders schmeckten.

Und so kam es zu einem scholastischen Disput der Ahnungslosen, wie denn eine originale französische Zwiebelsuppe zubereitet werden muss. Auf Basis normaler oder Gemüsezwiebeln, in ganze oder halbe Scheiben geschnitten, in Butter, Sonnenblumenöl oder Olivenöl angeröstet, und wie, noch fast weiß, glasig oder schon angebräunt? Wird dann die Zwiebel-Fett-Masse nur leicht oder etwas kräftiger mit Mehl oder Speisestärke bestäubt, um eine Mehlschwitze zu erhalten oder wird das gar nicht gemacht? Wird dann nur mit Wasser oder mit einer Brühe aufgefüllt und neben Salz und Pfeffer auch noch mit Majoran gewürzt? Wird dann gekocht, bis die Zwiebeln eher noch Biss haben oder so weich werden, dass sie mit der Zunge zerdrückt werden können?

Jahre später: Im Studium und mit einer frankophilen Freundin versehen lernten wir zwei französische Gaststudenten kennen, die Deutsch lernen wollten. Wir trafen uns in loser Reihenfolge zum Quatschen, jeder in der Fremdsprache. Mir fielen die immer noch ungelösten Dispute um die Zwiebelsuppe ein und bat, uns doch mal die Zubereitung einer original französischen Soupe à l’oignon zu zeigen. Aber sie mussten wohl erst einmal zu Hause nachfragen. Wir lernten dann, dass es die eine Zubereitungsart nicht gibt, sondern es so viele verschiedene original französische Soupes à l’oignon gibt wie Hausfrauen!

So ist’s wohl auch mit dem Welsh! Ich habe es kennen gelernt in Tavernen und Brasserien an der französischen Kanalküste, der Côte d’Opale. Wenn ich etwas auf dem Menu nicht kenne, dann bestelle ich es, um etwas dazu zu lernen. Aufgetragen wird dann ein Käsegericht, aus dem Backofen kommend und sehr mächtig. Als Beilage gibt es nur das übliche Baguette und unter dem flüssigen Käse liegt auch noch eine geröstete Toastscheibe mit einer Scheibe gekochtem Schinken. Lecker! Rezepte findet man im Web einige, selbst gekocht hatte ich nichts davon, bis ich bei Björn Freitag auf einen Tipp gestoßen bin . Das wollte ich nun mal versuchen. Und wie bei der Zwiebelsuppe sind die im Web zu findenden Rezepte und dieses (sehr) unterschiedlich, man darf also variieren.

Hier meine Art:

Ich darf nur eine Portion zubereiten, meine Frau mag keine Gerichte mit geschmolzenem Käse.

Dazu nehme ich für die eine Portion

Eine Scheibe Vollkornbrot aus reinem Roggenschrot. Das habe ich aus diätetischen Gründen immer im Haus. Man kann sicher auch „normales“ Graubrot nehmen oder auch Toastbrot.

Senf

Wenn vorhanden, eine Scheibe gekochten Schinken als Fleischbeilage. Ich habe aber auch schon mit luftgetrocknetem oder geräucherten westfälischen Schinken gearbeitet oder gar mit ein paar Abschnitten Magerspeck, die zuvor in einem Pfännchen angelassen wurden, bis das Fett glasig war. Vielleicht geht’s auch mit einer Scheibe Wurst beliebiger Art.

1 Ei oder 2 Eier

100 g Cheddar. Ich habe es auch mit anderen Hartkäsen probiert, die schmelzen aber anders als Cheddar. Mein Supermarkt führt irischen Cheddar in 200 g Stücken in den Sorten Mild (weiß) und Kräftig (gelb-orange), letztere ist meine bevorzugte Art, Für mich alleine wären die 200 g Käse zu viel, aber wer’s mag …

Etwas Bier, ich nehme das, was gerade im Keller ist, meist ein fränkisches Kellerbier.

Die Zubereitung erfordert ein gutes Timing, die folgende Reihenfolge wird dringend empfohlen:

1. Die Brotscheibe wird im Toaster angeröstet, und zwar zwei- oder gar dreimal. So soll richtig dröge sein, damit sie später viel Flüssigkeit aufsaugt. Aber das Vollkornbrot kann auch brüchig werden.

2. In eine flache feuerfeste Portionsform wird etwas Bier gegossen, so dass der Boden gerade mit Flüssigkeit bedeckt ist. Vielleicht geht’s auch mit Mineralwasser.

3. Auf die geröstete Brotscheibe wird reichlich Senf aufgestrichen. Ich nehme einen normalen deutschen Senf, wer den schärferem Dijon-Senf mag, ok!

4. Auf die Brotscheibe wird die gefaltete Scheibe Schinken aufgelegt, und das ganze in die Portionsform gelegt.

5. Der Käse wird in Würfel geschnitten, etwa in Größe eines Zuckerwürfels.

6. In ein Schälchen wird etwas Bier, weniger als das Volumen eines Eies gefüllt, Salz und Pfeffer nach Belieben hinzugefügt und ein Ei hinein geschlagen. Das zusammen mit einer Gabel oder einem kleinen Schneebesen verrühren.

7. Backofen oder das Gerät zum Überbacken einschalten.

8. Eine kleine Pfanne (18 cm Durchmesser) wird mit den Käsewürfeln gefüllt und mit starker Hitze erwärmt, bis der Käse anfängt zu schmelzen. Dann wird die Wärme auf die Hälfte oder noch weniger zurückgenommen und es wird jetzt mit einem passenden kleineren Kochlöffel der Käse unentwegt mit der flachen Seite gerührt. Die Würfel schmelzen und es entsteht durch das Rühren eine ziemlich homogene Käseschmelze. Vernachlässigt man das Rühren, entstehen feste Käsebröckchen, die sich kaum noch in der Schmelze lösen. Ist der Käse komplett geschmolzen, wird die Bier-Ei-Lösung hinzugefügt. Und wieder rühren, rühren, rühren. Durch die kältere Bier-Ei-Lösung wird der geschmolzene Käse erst einmal wieder fest, schmilzt dann aber wieder beim Rühren. Auch wird dadurch verhindert, dass der Ei-Anteil stockt. Außerdem wirkt das Eigelb als Emulator und erleichtert die Mischung des Fetts mit der Flüssigkeit.

9. Hat sich in der Pfanne nach ca. 2 Minuten eine Konsistenz ähnlich wie Käsefondue eingestellt. gießt man den Pfanneninhalt über die belegte Brotscheibe in der Portionsform und verteilt diese mit dem Kochlöffel bis eine geschlossene Decke entstanden ist.

10. Die Portionsform wird zum Überbacken in das Gerät gestellt. Im Backofen sollten das 180 °C sein. Die Dauer bestimme ich durch durch Hingucken, ich warte, bis sich auf der Oberfläche Röststellen bilden. Jeder nach seiner Fasson! Beim Überbacken wird die Kohlensäure des Biers ausgetrieben und das Bier beginnt
auch zu Kochen. Der entstehende Dampf und das freigesetzte CO2 wirken wie ein Treibmittel und die Käsemasse wird fluffig weich.

11. Das Welsh-Royal bekommt noch eine Decke aus einem Spiegelei, was in der kleinen Pfanne zubereitet wird, wenn das Überbacken läuft.

Viel Glück beim Hantieren mit den heißen Geräten und Guten Appetit!



Version: 1.0 Copyright: Rolf Süßbrich, Dortmund, 24.06.2025